Skip to main content
Diese Seite nutzt nur dann Cookies, wenn Sie Kommentare hinterlassen.

Deutsch-Französische Gesellschaft Bochum-Ruhr e.V.

Zwangsarbeiterlager „Saure Wiesen“ und Außenstelle des KZ-Buchenwald in Bochum

Erster Bericht im Rahmen des Projektes “Wir zeigen Euch unsere Region” (Hans-Georg Bosshardt, Marlies Bons-Künsebeck und Barbara Smielowski)

1. Zwangsarbeiterlager “Saure Wiesen”

Open Streetmap: Saure Wiese, Bochum-Engelsburg

Nur wenige Menschen in Bochum kennen die Gedenkstätte “Saure Wiesen”, die an der Essener Str. direkt gegenüber dem heutigen Thyssen-Krupp-Werk liegt. Anwohner kennen und schätzen das Gelände als Park zur Naherholung. Aber nur wenige Besucher wissen von der Gedenkstätte und wofür sie steht.

Auf dem Gelände befand sich während des zweiten Weltkrieges bis 1945 ein Zwangsarbeiterlager,in dem zeitweilig etwa 1000 Zwangsarbeiter aus Osteuropa untergebracht waren. Sie mussten für den Bochumer Verein, einem Konzern an der Essener Straße (heute “thyssenkrupp Steel Europe AG”) Rüstungsgüter produzieren. “Es handelt sich um eines der mindestens 15 Zwangsarbeiterlager des Bochumer Vereins, der nicht weit davon entfernt in der ehemaligen Brüllstraße auch ein Außenlager des KZ-Buchenwald betrieb” (https://lernendurcherinnern.ruhr-uni-bochum.de/saure-wiese/).

Für polnische und sowjetische Zwangsarbeiter galt ein von den Nationalsozialisten geschaffenes Sonderrecht. Mit den sogenannten Polenerlassen vom 8.3.1940 und der Polenstrafrechtsverordnung vom 4.12.1941 wurden per Polizeiverordnung polnische Zwangsarbeiter, Zivilarbeiter und Kriegsgefangene, weitreichenden Diskriminierungen (u.a. Kasernierung mit Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote, Kennzeichnungspflichten) und einschneidenden Verkürzungen des Rechtsschutzes unterworfen. Weiter verschärft wurden diese Vorschriften für Zwangsarbeiter (Kriegsgefangene, Zivilarbeiter und Deportierte) aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion durch die sogenannten Ostarbeitererlasse vom 20.2.1942. Ostarbeiter wurden sehr schlecht ernährt und nur geringfügig entlohnt. Weil Zwangsarbeiter kein Anrecht auf Lebensmittelkarten hatten, konnten sie von ihrem ganz geringen Lohn keine Lebensmittel kaufen, (Ans Leid der Zwangsarbeiter erinnern. In: WAZ, Lokalteil Bochum, 9. März 2007 (online; PDF; 2,01; Internetauftritt der Stadt Bochum: Bochum in der NS-.Zeit: https://www.bochum.de/Stadtarchiv/Bochum-in-der-NS-Zeit/Zwangsarbeiter-im-NS-Staat-und-ihr-Schicksal-in-Bochum).

1.1. Die Gedenkstätte

Im Jahr 2012 wurde ein Gedenkort eingerichtet, den der Bochumer Künstler Marcus Kiel gestaltet hat. Im Zentrum befindet sich der Grundriss einer Baracke, der durch Feldsteine markiert ist. Daneben befinden sich vier Betonstelen, auf denen die Geschichte des Lagers beschrieben ist.

An den Wegen des Geländes findet man fünf Zitate aus Kurzbeschreibungen des Lagerlebens , erstellt von früheren Zwangsarbeitern. Die Zitate hat Marcus Kiel aus Stahl ausgeschnitten und auf Betonblöcke montiert.

Die Zitate lauten:

„Wir lebten in Baracken, in einem Zimmer befanden sich 8 Personen, ernährt wurden wir mit Steckrübensuppe. Dazu gab es Wasser und 150 Gramm Brot.“

„Am 15. April 1942 wurde ich nach Deutschland verschleppt. Ich wohnte im Ost-Arbeiterlager Saure Wiese. Meine Lagernummer war 46.“

„Im Lager herrschte ein strenges Regime. Nachts starben die Menschen auf den Pritschen, morgens standen die Lebenden auf und gingen zur Arbeit.“

„Täglich marschierten wir zum Werk an der Alleestrasse. Hier waren wir in der Munitionsfertigung eingesetzt.“

„Ich musste Granaten drehen und Patronenhülsen in eine Presse packen. Nach Bombenangriffen musste ich Schutt und Trümmer wegräumen.“

Foto: Hans-Georg Bosshardt

Der blaue Kommentar auf dem Betonsockel ist noch eines der harmloseren Beispiele für den Vandalismus, dem die Gedenkstätte ausgesetzt ist. Bei unserem Besuch waren die Stelen neben den Markierungen für die Lagerbaracken durch Schmierereien unlesbar.

1.2. Geschichte des Namens

Wenn man heute den Park und das Gelände besucht, wundert man sich über den Namen “Saure Wiesen” (teilweise auch “Saure Wiese”). Dort, wo früber das Lager war, gibt es kein Wasser und auch keinen Sauerampfer, keine Weideröschen oder andere Pflanzen, die auf feuchten und sauren Boden hinweisen würden.

Wie kam also das Gebiet zu seinem Namen? Die Gedenkstätte befindet sich auf halber Höhe auf einem Hügel. Der Ahbach fließt unten am Westrand des Hügels entlang. Der Hügel war früher eine Müllkippe für Industrieabfälle und der Ahbach hat stinkendes Industrieabwasser zur Emscher geleitet. Der Ahbach wurde im Jahr 2010 renaturiert. Seither ist vom früheren stinkenden Abwasser nichts mehr zu sehen und zu riechen, weil es in den Untergrund verlagert worden ist (Ruhrnachrichten, online).

Woher kommt also nun der Name? – Der Namen für das Gelände ist zu einer Zeit entstanden, bevor es als Müllkippe genutzt und der Hügel aufgeschüttet wurde.  Man kann vermuten, dass zu dieser Zeit der Ahbach an feuchten und sauren Wiesen vorbei geflossen ist.

2.  KZ-Außenstelle des KZ-Buchenwald in Bochum

Im Verlaufe des 2. Weltkrieges wurde es zunehmend schwieriger, die für den Krieg benötigten Waffen und Munition zu produzieren. Insbesondere fehlten die dafür nötigen Arbeitskräfte. Deshalb bemühte sich der Bochumer Verein ab Anfang des Jahres 1943 erfolgreich um die Zuweisung von KZ-Häftlingen. Ab Mitte 1944 wurde ein als Nebenlager des KZ Buchenwalds geplantes KZ-Außenlager an der ehemaligen Brüllstraße (heute im Bereich Obere Stahlindustrie/Am Umweltpark) errichtet. Ein dort schon bestehendes Lager für Zwangsarbeiter*innen aus der ehemaligen Sowjetunion wurde um- und ausgebaut durch 446 Häftlinge, die im Juni 1944 per Sammeltransport aus Buchenwald eintrafen. Weitere Häftlinge trafen in der Folge ein aus Buchenwald, Auschwitz und Neuengamme und wurden ab September 1944 in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Im November 1944 waren im Außenlager 1704 ausschließlich männliche Häftlinge registriert, die meisten von ihnen Juden und überwiegend ungarischer, aber auch tschechischer, russischer  polnischer und rumänischer Nationalität. Sie leisteten beim Aufbau des Lagers und in der Geschossfabrik körperliche Schwerstarbeit. Sie lebten und arbeiteten unter unmenschlichen Bedingungen bei völlig unzureichender Ernährung  und ohne Arbeitsschutzausrüstung. Viele Häftlinge kamen ums Leben durch Hunger, Erschöpfung, Misshandlung und gezielte Hinrichtungen. Sie starben auch bei Luftangriffen  alliierter Streitkräfte, da sie bei Bombenangriffen keine Luftschutzbunker aufsuchen durften.. ( ausführlich zu allem I: Wölk, Das Außenlager des Konzentrationslager Buchenwald in VVN-BdA (Hrsg.) Ein Bochumer Konzentrationslager-Geschichte des Buchenwald-Außenlagers des Bochumer Vereins, 2019)

Foto: Hans-Georg Bosshardt

2. 1  Gedenkstätte für das KZ-Außenlager des Bochumer Vereins

Das Erinnerungszeichen für das KZ-Außenlager des Bochumer Vereins hat der Künstler Marcus Kiel geschaffen und im Jahr 2019 der Öffentlichkeit übergeben. Die Deutsch-Französische Gesellschaft Bochum e.V. hat im Oktober 2021 einen Besuch der Gedenkstätte organisiert, an der Vereinsmitglieder und interessierte Bürger teilgenommen haben. Bei dieser Veranstaltung war der Künstler anwesend und hat einige Gedanken und Ergebnisse seiner Nachforschungen zu seiner “Installation im öffentlichen Raum” dargestellt (s. Bild oben). 

Markus Kiel hat auch Gespräche geführt mit Rolf Abrahamsohn, einem überlebenden Zeitzeugen, der trotz großer persönlicher Bedenken zur Eröffnung der Gedenkstätte angereist war. Rolf Abrahamsohn war als Jugendlicher aus dem Ruhrgebiet ins Ghetto Riga deportiert und 1944 über das KZ Buchenwald nach Bochum ins KZ-Außenlager verbracht worden. Er hat  ausführlich über die Bedingungen des Lebens und Arbeitens  im Außenlager berichtet. So schilderte er, wie er während eines Luftangriffs in einem Zementrohr Schutz gesucht und gefunden hat. An diese Begebenheit  erinnert das  Zementrohr auf einem Betonsockel (s.das Bild unten mit Marcus Kiel und der Besuchergruppe). Auf dem Zementrohr ist  eine Stahlplatte mit einem Zitat Abrahamsohns angebracht. Das Zitat lautet.“Ich habe mich retten können, weil ich in ein Zementrohr gekrochen bin. Während der Luftangriffe hörte ich, wie Splitter auf das Rohr fielen.“

Foto: Hans-Georg Bosshardt

2.2 Standort der Gedenkstätte

Die Stätte konnte ziemlich genau an der Stelle errichtet werden, an der das Lager ursprünglich gelegen war. Die heutigen Grundstückseigentümer haben dies großzügig erlaubt.

Die Gedenkstätte liegt auf einem Gelände, auf dem sich heute auch die Technischen Betriebe der Stadt Bochum befinden. Sie ist während der Betriebszeiten werktags bis 15 Uhr öffentlich zugänglich. Man erreicht die Stätte am Kreisverkehr Kohlenstraße, indem man in die Straße „Obere Stahlindustrie“ einbiegt und der Beschilderung Stadt Bochum/ Technischer Betrieb Anlieferung/ Warenannahme folgt (nicht in Richtung Technischer Betrieb/ Verwaltung).

Das Gelände ist außerhalb der Betriebszeiten abgeschlossen. Dies hat den Vorteil, dass die Stätte weniger Vandalismus ausgesetzt ist.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
image_pdfimage_print

Die Gestaltung der Homepage wurde gefördert durch den Deutsch-Französischen Bürgerfonds: www.buergerfonds.eu

Mitgliedsbeiträge
  • Einzelmitgliedschaft

    € 24,-

  • Familienbeitrag

    € 32,-

  • ermäßigter Beitrag für Schüler*innen und Studierende

    € 10,-

Mitgliedsbeiträge sowie Spenden an die Gesellschaft sind steuerlich absetzbar.

Wenn Sie im Raum Bochum wohnen oder wenn Sie einen längeren Aufenthalt dort planen und zu frankophilen Bürger*innen dieser Stadt in Verbindung treten möchten, sind Sie herzlich eingeladen, sich an uns zu wenden.

Deutsch-Französische Gesellschaft Bochum-Ruhr
Vorstand
Kontakt
  • Postadresse

    Deutsch-Französische Gesellschaft Bochum Ruhr e.V.,
    c/o Marlies Bons-Künsebeck, Waldring 55, 44789 Bochum

  • Tel.:

    0234 - 81025008

  • Tel.:

    0234 - 28 09 36

  • Bankverbindung:

    Sparkasse Bochum, IBAN DE12 4305 0001 0001 3810 60 SWIFT-BIC: WELADE D1BOC