Vivre dans Le Gers

Wir – mein Mann und ich – hatten Projekte in Rumänien erfolgreich abgeschlossen, was machen wir jetzt? Zurück nach Deutschland oder lieber in ein anderes Land? Vielleicht irgendwohin, wo das Leben ein wenig dem ähnelt, das wir in Rumänien erlebt haben.

Wir einigten uns schließlich auf Frankreich – irgendwo im Süden oder Südwesten. Die Suche nach einem Haus gestaltete sich nicht so einfach: Immobilienagenten in Frankreich waren noch nicht sehr stark im Internet vertreten, unsere Anfragen wurden nur teilweise beantwortet, aber schließlich hatten wir eine Auswahl von Häusern zusammen und fuhren nach Frankreich, um diese Objekte zu besichtigen.

Beginn unserer Besichtigungstour im Hinterland der Côte d’Azur. Traumhafte Häuser zu traumhaften Preisen, zu teuer für uns. Unsere Auswahl führte uns bis zu den Cevennen, ein riesiges Haus auf 800 m Höhe, 30 ha Gelände mit eigenem Bach, aber der nächste kleine Laden im Tal über eine Serpentinenstrecke; bei Schneefall wären wir von der Welt abgeschnitten.

Im Folgejahr hatten wir wieder eine Auswahl zusammen und fuhren zur Besichtigungstour von den Cevennen bis zu den Pyrenäen und dann weiter ins Landesinnere. Unser letztes Haus im Département Gers, einem der kleinsten mit weniger Einwohnern als Bochum, war zu groß für uns. Der Makler, ein Engländer, der seit 20 Jahren in Frankreich wohnte, fragte nach unseren Vorstellungen. Ich glaube, ich habe etwas für Sie, meinte er und fuhr mit uns in ein sehr kleines Dorf, ca. 10 km von Mirande entfernt. Le Gaouach („sehr alte Eiche“ in Alt-Gasconnisch, wie man uns sagte) – das war unser Haus vom ersten Augenblick an.

Foto: E. Haase

 Das schönste Haus in unserem Dorf, sagte der Bürgermeister, als er uns das erste Mal besuchte. 

Wir hatten einen Blick auf den Dorfkern – Kirche und Château, in dem der nächste Bürgermeister wohnte.

Foto: Haase

Einige km zur nächsten Bäckerei in Montesquiou „an der Via Tolosana, einer der vier historischen ‘Wege der Jakobspilger in Frankreich’. Ein heute verschwundenes castelnau (eine kleine Burg auf einem zur Motte aufgeschütteten natürlichen Hügel) aus dem 11. Jahrhundert war die Wiege des berühmten Adelsgeschlechts der Montesquiou. Als castrum wurde es 1274 erstmals erwähnt. Der Familienüberlieferung nach soll der erste Baron von Montesquiou der im Jahr 1070 verstorbene Raymond-Aimeric gewesen sein, der dem Hause der Grafen von Fézensac entstammte. 1777 gestattete daher König Ludwig XVI. der Familie, den Doppelnamen Montesquiou-Fézensac zu führen. Die Familie besaß später auch das nahegelegene Artagnan. Die Burg Montesquiou (« wilder Berg ») wurde zuletzt von Aymeri de Montesquiou bewohnt, der um 1574 starb. Über seine Schwester kam sie in die Familie de Montluc.“ (). In der „Auberge de Montesquiou“, dem Restaurant in der Dorfmitte, wird für einem kleinen Preis ein hervorragendes Mittag- und Abendessen serviert, inklusive natürlich einer Caraffe de vin, es kommen nur wenige Tourist*innen, vor allem aber Leute – Einheimische und Zugewanderte wie wir – aus dem Dorf und umliegenden Gemeinden.

Nur 15 Minuten Fußweg von unserem Haus entfernt ein kleiner Hof mit Schafen und Ziegen; der Käse ist hervorragend und ich liebe den Ziegen- und Schafsjoghurt… Ich frage, ob sie nicht ein Bio-Siegel beantragen wollen. Das sei viel zu teuer, höre ich, wir führen eine Bio-Zucht, unsere Produkte sind einwandfrei, aber es gibt so viele Kontrollen, die wir einfach nicht bezahlen können.

Die Gascogne ist das Land der Enten; alle Teile der Ente werden für den Verzehr verwertet, nicht nur Magret de Canard, Confit de canard, auch Cuisses de canard, Aiguilletes, Parmentier, Gésiers, Foie gras (sollte man meiden, schmeckt aber so gut…).

Und dennoch gibt es auch Gänse: An der D34 liegt die Gänsefarm – La Ferme des Grisettes. So gute Sachen, die man dort kaufen kann. Oder aber in einem der Chambres d’hôtes ein paar Tage verweilen und die Umgebung erkunden.

(Foto mit Genehmigung der Eigentümer; )
(Marktplatz von Bassous; Foto aus: Wikimedia Commons, dem freien Medienarchiv, :Bassoues?uselang=de )

Auf der anderen Straßenseite schräg gegenüber das Château Le Haget – Hotel, Restaurant, Camping mit eigenem Pool und viel Platz zum Ruhen. Es ist wohl ein Niederländer, der dieses Anwesen betreibt; genauso wie auch der Campingplatz in niederländischen Händen ist.
Im Sommer sind wir hin und wieder nach Bassoues gefahren und haben dort auf dem Marktplatz gegessen, lokale, schmackhafte Küche zu sehr annehmbaren Preisen.

Ein Highlight in jedem Jahr: das Jazzfestival Ende Juli/Anfang August in Marciac () oder wie man heute sagt: JIM. Wir hatten das Glück, einen der letzten Auftritte von Ibrahim Ferrer vom Buena Vista Social Club zu erleben (s. z.B. ). Marciac, kein so sehenswerter Ort, ist zu Jazz-Zeiten nur Musik – an allen Ecken, auf allen Plätzen wird musiziert, auf dem Dorfplatz, im großen Zelt, in der Konzerthallte. An der Kirche spielt ein Pianist klassischen Jazz, morgens fährt er seinen Flügel dorthin und abends wieder zurück in seine Unterkunft. In den Straßen, den Innenhöfen wird Musik gemacht – es ist einfach wunderschön. Und natürlich gibt es Essen und Trinken mit Speisen aus verschiedenen Ländern, es gibt künstlerische und handwerkliche Objekte und Marciac hat ein eigenes kleines interessantes Jazz-Museum.

Dizzy Gillespie, Wayne Shorter, Sonny Rollins, Ray Brown, Stan Getz, Ray Charles, Lionel Hampton, Oscar Peterson, Max Roach, Dianne Reeves, Philip Catherine, Paolo Fresu, Aldo Romano, Tito Puente, Stéphane Grappelli, Michel Petrucciani, Joshua Redman, das Modern Jazz Quartet, Herbie Hancock, Keith Jarrett, Diana Krall, Gerry Mulligan, Ornette Coleman, Michel Portal, Joe Zawinul, The Rite of Strings (Al Di Meola / Stanley Clarke / Jean-Luc Ponty), Roberto Fonseca, Joe Cocker, Fatoumata Diawara, Wynton Marsalis und noch viele andere.()

Fortsetzung folgt